03.06.2016
In der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege führen Schülerinnen und Schüler des dritten Ausbildungsjahres regelmäßig das Projekt „Schulstation“ durch - diesmal auf der Station 1 A in Montabaur.
In der Schule für Gesundheits-
und Krankenpflege führen Schülerinnen und Schüler
des dritten Ausbildungsjahres regelmäßig das Projekt "Schulstation" durch.
Betreut von Lehrern, Praxisanleiterinnen und Pflegekräften der Fachbereiche
übernehmen die Auszubildenden für eine Woche die Verantwortung für die
pflegerische Versorgung der Patienten.
Es ist halb
zwölf auf Station 1 A in Montabaur. Zwei angehende Gesundheits- und
Krankenpflegerinnen verteilen das Mittagessen, ein Kollege legt gerade
Schutzkleidung an und betritt mit Verbandsmaterial das Zimmer eines infektiösen
Patienten mit multiplen chronischen Wunden. Wieder andere besprechen sich mit
den beiden Stationsärztinnen auf der Visite, im Stationszimmer wird rasch eine
Infusion vorbereitet. Viele sehr junge Gesichter - deutlich mehr als sonst
- konzentriert, aber ruhig und sicher.
Am Ende des Flurs wird gemeinsam mit einer Patientin gelacht. Nanu? Irgendetwas
ist doch anders als sonst? Ja - alles ist anders! Es ist Tag 3 im Projekt
Schulstation des Kurses A/13 - der Klasse, die im kommenden Frühjahr ihre
Abschlussprüfungen in der Gesundheits- und Krankenpflege absolvieren wird.
Gut eineinhalb
Jahre nach dem Startschuss zur Schulstation im Rahmen des Schulprojektes
"Schule in Praxis - Praxis in Schule" und unzählige Teambesprechungen und
Projektgruppentreffen später fand im April diesen Jahres mit den Auszubildenden
des Kurses O/12 das erste, verkürzte Pilotprojekt auf der kardiologischen
Station I 7/8 im Marienhof statt. Die Ergebnisse der Evaluation dieses
Probelaufs zeigten, dass Theorie und Praxis eben doch manchmal zwei
verschiedene Paar Schuhe sind. Mit den Erfahrungen des ersten Projektes wurde
die Konzeption evaluiert und weiterentwickelt, so dass das zweite Projekt
"Schulstation" beginnen konnte. Vom 26.10. - 30.10.2015 wurde es für den Kurs
A/13 also Ernst. Die Schulstation fand diesmal parallel auf gleich zwei
Stationen statt: auf der 1 B im
Brüderhaus (Orthopädie) in Koblenz sowie auf der 1 A (Innere Medizin) in
Montabaur. Jeweils 10 Auszubildende pro Standort übernahmen, unterstützt durch
Mitarbeiter von den Stationen, Praxisanleiter und Lehrer, im Früh- und
Spätdienst alle auf der Station anfallenden pflegebezogenen Tätigkeiten -
zunächst eng begleitet und dann sehr schnell immer selbständiger. Eine Woche
lang nahmen die Auszubildenden das Stations-Zepter selbst in die Hand und zeigten,
was sie in nun fast drei Jahren der Ausbildung gelernt hatten: Körperpflegen
und Prophylaxen durchführen, Patienten zu Operationen/Untersuchungen
vorbereiten, Blutentnahmen, Entlassungen managen, die Visite begleiten und
ausarbeiten, Medikamente richten, kontrollieren und verabreichen …. alle
Tätigkeiten, die zu einer umfassenden und patientenorientierten Pflege eben
dazu gehören. Die Auszubildenden hatten die Möglichkeit, alles, was sie im
geschützten Rahmen in der Schule und auf den Stationen bisher gelernt hatten,
in der Realität und Komplexität des Alltags anzuwenden. Und unsere
Auszubildenden demonstrierten überzeugend, dass sie es können. Ohne
nennenswerte Probleme lief alles wie am Schnürchen. Das Fazit der
Auszubildenden? "Das Examen kann kommen!"
Und das Resümee
der Praxisanleiter und Lehrer? "Wir sind auf dem richtigen Weg!" Natürlich ist
ein Schulstation-Projekt in jeglicher Hinsicht ein sehr arbeitsaufwändiges
Unterfangen für alle beteiligten Personen, aber diese Investition in den
Lernort Praxis lohnt sich. Die hohe Arbeitsbelastung einerseits und auch die
traditionell gewachsene Arbeitsorganisation auf den Stationen, machen es den
Auszubildenden meistens unmöglich, eine Patientengruppe vollständig und über
einen längeren Zeitraum kontinuierlich zu betreuen. Nicht von ungefähr kommt
es, dass weit mehr als die Hälfte der Pflege-Auszubildenden in einer aktuellen
Studie[1]
angegeben haben, dass sie häufiger einzelne, unzusammenhängende Aufgaben
aufgetragen bekommen, als Patienten umfassend zu versorgen. Dass sich dies
nicht eben förderlich auf die berufliche Kompetenzentwicklung auswirkt und den
Schritt vom Auszubildenden zum "examinierten" Gesundheits- und Krankenpfleger vergrößert,
ist selbsterklärend.
Im Rahmen der
Schulstation kann dieser wichtige Aspekt einer umfassenden Pflege, die auch
organisatorische und administrative Aufgaben beinhaltet, fokussiert werden: Über
den gesamten Projektzeitraum hinweg betreuen die Auszubildenden dieselbe
Patientengruppe von 4-6 Personen und haben die Gelegenheit, sich intensiv mit
den Erkrankungen, dem Pflegebedarf und der sozialen Situation ihrer Patienten
auseinander zu setzen, den Verlauf zu beobachten und eine Kontinuität in der
pflegerischen Versorgung zu gewährleisten. Mit Blick auf das Kompetenzmodell,
welches die Ausbildung an unserer Schule leitet, kann man es auch anders
formulieren: Die Auszubildenden lernen, alle acht Kompetenzkriterien (Abbildung)
gleichzeitig im Blick zu behalten und situationsbedingt immer wieder einen
klugen Kompromiss zwischen konkurrierenden Anforderungen zu suchen - im Sinne
des Bremer Berufsbildungsforschers Prof. Dr. Felix Rauner das wichtigste
Kennzeichen kompetenten beruflichen Handelns. Darüber hinaus bietet die
Schulstation auch die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren: So fand die
Dienstübergabe vom Frühdienst an den Spätdienst nicht wie üblich hinter
verschlossenen Türen im Stationszimmer statt, sondern die Auszubildenden übten
sich in der "Übergabe am Patientenbett". Diese Vorgehensweise hat den Vorteil,
dass die Spätdienstler sich gleich zu Schichtbeginn einen Eindruck über die
aktuelle Situation ihrer Patienten verschaffen können und die Patienten erfahren,
wer am Nachmittag für sie zuständig ist. Außerdem erhöht sich der Anteil
pflegebezogener Informationen im Gespräch und - willkommener Nebeneffekt - es
geht insgesamt schneller. So konnte mit der mittäglichen Evaluationsrunde, die
nach jeder Schicht stattfand, pünktlich der Dienst beendet werden.
Und wie geht es
weiter? Ganz klar: Nach der Schulstation ist vor der Schulstation! Schon im
kommenden April findet die nächste Projektwoche statt, und diesmal, aufgrund
der Klassengröße des Kurses O/13, gleich auf gleich drei Stationen parallel - eine
neue organisatorische Herausforderung. Wir freuen uns schon sehr darauf und
bedanken uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die Unterstützung,
die wir als Schule von allen Seiten uneingeschränkt erhalten haben: Von der
Pflegedienstleitung, der Berufsgruppe der Ärzte, den Pflegenden auf den Stationen,
den Praxisanleitern und natürlich den Patienten, die sich vertrauensvoll in die
kompetenten Hände unserer Auszubildenden begeben haben.
Dr. phil. Renate
Fischer
[1] Literatur der Verfasserin